Das Thema Fachkräftemangel wird seit einiger Zeit intensiv in Politik und Medien diskutiert. Und dies zu Recht!
Prognosen des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) zeigen, dass das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland bis 2035 von ca. 47 Mio. auf 40 Mio. sinken wird (- 15 %). Grund hierfür ist insbesondere der Renteneintritt der Generation Babyboomer (Jahrgänge 1964 und älter). Dies stellt mittelfristig eine enorme Herausforderung für den Standort Deutschland dar, da es wenige Industrieländer gibt, die ein ähnliches Demografieproblem haben.
Quantitative Betrachtung des Fachkräftemangels in Deutschland
- Höchststand bei der Beschäftigung in Deutschland
- Einflussfaktoren Fachkräftemangel
- Wanderungssaldo (Migration, Auswanderung)
- Erwerbsquoten
- Arbeitszeiten (pro Woche/ Lebensarbeitszeit)
- Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
- Einfluss von Digitalisierung/ KI
Inwieweit es gelingen wird, die Fachkräftelücke mithilfe von Einwanderung, der Steigerung der Erwerbsquote – insbesondere von Frauen – und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu schließen, bleibt abzuwarten. Auch wissen wir nicht, wie sich der Vormarsch der künstlichen Intelligenz, der zunehmende Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung in der (insbesondere jüngeren) Bevölkerung sowie die konjunkturelle Entwicklung (Stichwort: Gefahr der Deindustrialisierung des Standorts Deutschland) zukünftig auf Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt auswirken wird.
Bei dieser rein quantitativen Betrachtung des (demografiebedingten) Fachkräftemangels wird häufig folgender Aspekt vernachlässigt. Obwohl wir ein Allzeithoch bei den sozialversicherten Beschäftigungen haben, die offenen Stellen auf einen Rekord von 630.000 gestiegen sind, haben wir gleichzeitig fast 2,5 Mio. Arbeitslose. ArbeitsmarktexpertInnen sprechen hier von einem Fachkräfteparadox (hohe Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel).
Dies ist nur damit zu erklären, dass wir ein nicht unerhebliches Passungsproblem am Arbeitsmarkt haben. Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen. Und dies ist meiner Meinung nach das weitaus bedeutendere Problem am Arbeitsmarkt, das sich weiter zuspitzen wird.
Auf der einen Seite werden sich Anforderungsprofile in den Unternehmen schneller verändern (Stichworte: Digitalisierung, Dekarbonisierung) und werden zudem stetig weniger vorhersehbar (Stichwort VUCA-Welt). Auf der anderen Seite zeigt sich eine gewisse Trägheit bei der Ausrichtung der beruflichen Präferenzen und dem Weiterbildungsverhalten. Die Schwerfälligkeit der Bildungsbürokratie in der beruflichen Bildung tut ihr Übriges. So sind z.B. die Lehrpläne für Immobilienkaufleute und Immobilienfachwirte fast 20 Jahre alt und eine Anpassung dauert in der Regel Jahre.
Was können und müssen Branchenverbände und deren Akademien in diesem Zusammenhang für die Immobilienwirtschaft tun?
Vier Schlüsselstrategien gegen den Fachkräftemangel
Strategie 1:
Wir brauchen ein Zielbild, wie sich Berufsbilder und Anforderungsprofile in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft verändern
Es braucht eine Diskussion, wie sich Berufsbilder und Anforderungsprofile in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft verändern. Welche Aufgaben wird ein Vermieter oder Techniker zukünftig in Wohnungsunternehmen übernehmen? Wie wandeln sich die Rollen in der Betriebskostenabteilung oder im Rechnungswesen angesichts fortschreitender Digitalisierung und dem anstehenden Vormarsch von KI in die Arbeitswelt? Welchen Rollen benötigen wir aktuell und zukünftig zusätzlich in Wohnungsunternehmen (Energie- und Nachhaltigkeitsmanager, Projektmanager, Change- und Community-Manger)?
Aktuell diskutieren wird dies in der EBZ Akademie intensiv mit VertreterInnen aus Wohnungsunternehmen und werden im Herbst 2023 zusammen mit Professor Armutat von der FH Bielefeld hierzu die Studie „Zukunftsfähige Belegschaftsstrukturen in Wohnungsunternehmen“ veröffentlichen. Deren Ergebnisse stellen wir auf der Tagung „Managementstrategien“ am 27.11.2023 vor.
Strategie 2:
Wir brauchen eine Dekade der Weiterbildung und sollten dabei nicht auf die Bildungsbürokratie warten
Die Idee, dass ein staatliches Berufsbildungssystem die Wirtschaft stetig mit gut ausgebildeten Fachkräften versorgt, ist ehrenwert. Sie stammt jedoch aus dem Industriezeitalter und passt nicht mehr zu den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt. Die staatliche Bildungsbürokratie ist langsam und unflexibel. Diese Lücke müssen Branchenakademien mit praxistauglichen Ausbildungskonzepten füllen.
Mehrwert für die Branche: Strukturierte Bildungsprogramme der Akademien
Strukturierte Bildungsprogramme der Akademien können die Belegschaften in Wohnungs- und Immobilienunternehmen auf veränderte bzw. neue Rollen zeitnah vorbereiten. Sie erstrecken sich nicht über die Zeitspanne von etablierten Ausbildungs- und Studiengängen und können flexibler und damit passgenauer und praxistauglicher ausgestaltet werden.
Beispiele aus der EBZ Akademie:
- Zertifikatslehrgänge Projektmanagement
- Qualifizierungsprogramm Digitalisierungs- und Transformationsmanager in der Wohnungswirtschaft
- Zertifikatslehrgang Klima-/ Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement (EBZ)
- Zertifikatslehrgang Geprüfte/r Immobilientechniker/in (EBZ)
Mit diesen strukturierten Bildungsprogrammen können Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger aus anderen Branchen ebenso wie bereits beschäftigte Mitarbeitende gezielt auf veränderte und neue Positionen vorbereitet werden.
- SeiteneinsteigerInnen bringen wichtiges Know-how und Berufserfahrung aus anderen Branchen mit, werden durch passgenaue Qualifizierung aber schneller arbeitsfähig.
- Mitarbeitende aus anderen Abteilungen kennen bereits das Unternehmen, ein nicht zu unterschätzender Vorteil, und erleben Jobrotation mittels gezielter Qualifizierung als zusätzliche Entwicklungsmöglichkeit. Dies wiederum kann die Mitarbeiterbindung stärken.
Beispiele für interne Entwicklungsmöglichkeiten können sein:- Immobilienkaufleute zu ImmobilientechnikerInnen, Projekt- und DigitalisierungsmanagerInnen oder PersonalreferentInnen weiterqualifizieren
- ImmobilientechnikerInnen zu Energie- und NachhaltigkeitsmanagerInnen ausbilden
Upskilling der Mitarbeitenden
Bedingt durch die zahlreichen Veränderungen im Umfeld von Immobilienunternehmen sind Mitarbeitende gezwungen ihr Wissen stetig zu aktualisieren. Der Besuch von Seminaren und Tagungen ist hier ein probates Mittel, auf Dauer greift dies aber zu kurz.
Vielmehr brauchen wir intelligente Ansätze aus dem Wissensmanagement und der lernenden Organisation, die sicherstellen, dass neues Wissen in die Organisation gelangt, dieses Wissen gut dokumentiert und an die Mitarbeitenden systematisch verteilt wird. Wissensmanagement- und Lernmanagementsysteme können hier unterstützen, sofern sie gut eingeführt werden.
Future Skills
Neben der Bereitstellung von strukturiertem Fachwissen und zusätzlichen Ad-hoc-Wissensbausteinen wird es zunehmend bedeutsamer, dass Organisationen ihre Mitarbeitenden fundiert auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 vorbereiten. Entscheidend sind hier sogenannte Future Skills wie z.B. Selbstorganisationskompetenz, Lernkompetenz, Projektmanagementkompetenz oder Netzwerkkompetenz. Dies ist eine gewaltige Herausforderung für Wohnungsunternehmen: Die Zukunft muss im Wesentlichen mit den Mitarbeitenden gestaltet werden, die bereits im Unternehmen tätig sind. Darauf zu warten, bis Auszubildende oder Hochschulabsolventen diese Kompetenzen mitbringen, dürfte nicht ausreichen.
Strategie 3:
Relevante Fachkräfte für unsere Branche gewinnen
Generell gilt es, die Anzahl an qualifizierten Bewerbern in relevanten Berufsbildern in der Branche merklich zu erhöhen, um somit das Potenzial insgesamt zu steigern. Denn insbesondere bei den wichtigen Berufsbildern im Bereich ESG, IT oder Projekt- und Wissensmanagement steht die Wohnungswirtschaft in Konkurrenz zu anderen Branchen, die häufig erheblich bekannter sind und besser bezahlen.
Die Azubikampagne und die Arbeitgeberkampagne des GdW sowie das KlimaCamp des EBZ sind diesbezüglich wichtige Engagements.
Strategie 4:
Die Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft müssen sich attraktiv präsentieren
Aus der Perspektive des einzelnen Unternehmens ist es von Bedeutung, über ein fundiertes Employer-Branding-Konzept die eigene Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Damit wird intern die Mitarbeiterbindung gestärkt und extern die Anziehungskraft für jene potenziellen Fachkräfte geschaffen, die so dringend benötigt werden. Weitere Informationen zur Arbeitgeberattraktivität in der Wohnungswirtschaft können Sie dem entsprechenden Whitepaper der EBZ Akademie entnehmen.
FAZIT
Die Herausforderung des Fachkräftemangels ist real – insbesondere auch in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Es darf aber nicht auf ein rein quantitatives Problem reduziert werden. Für die zukünftige Leistungsfähigkeit von Wohnungsunternehmen ist es entscheidend, sich im Rahmen einer strategischen Personalbedarfsplanung darüber klar zu werden, welche Mitarbeitenden mit welchen Kompetenzen in Zukunft benötigt werden und wie Mitarbeitende entsprechend darauf vorbereitet werden oder durch Arbeitgeberattraktivität gewonnen werden können.
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