Wie verhindern Unternehmen, dass wertvolles Wissen verloren geht, wenn Mitarbeiter sie verlassen? Auf diese Frage gibt das organisationale Lernen eine Antwort. Wie es gelingen kann, individuelles Wissen im Unternehmen zu verankern, zeigen ausgewählte Praxisbeispiele.
Quelle: DW – Die Wohnungswirtschaft Ausgabe 01/2025
Keine Frage, organisationales Lernen ist ein sperriger Begriff. Um zu erklären, worum es sich dabei handelt, könnte man die umfangreiche Literatur zu diesem Thema zitieren, die sich meist auf das 1996 erschienene Standardwerk „Organizational Learning (deutsch: Die lernende Organisation)“ von Chris Argyris und Donald A. Schön bezieht. Man kann aber auch Rüdiger Grebe fragen, den Leiter der EBZ Akademie in Bochum, und bekommt dann eine deutlich einprägsamere Antwort. „Im Kern geht es beim organisationalen Lernen darum, dass Lernen kein individuelles Thema ist, sondern mit der Organisation verbunden wird“, erklärt Grebe. Damit würden zentrale Fragen einhergehen: „Wie bekomme ich Wissen in die Organisation? Und wie gelingt es, Wissen zu dokumentieren und im Unternehmen zu verteilen?“
Ähnlich, wenn auch etwas komplizierter, formuliert ist die Definition des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Jean-Paul Thommen, wie sie sich im Gabler Wirtschaftslexikon findet. Organisationales Lernen bezeichnet demnach „den Prozess der Veränderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, um die Problemlösungs- und Handlungskompetenz zu erhöhen“. Im Zentrum steht dieser Definition zufolge „der Aufbau von Wissen, das von allen Unternehmensmitgliedern geteilt wird“
Komplexe Welt erfordert neue Lernformen
Dass diese neue Form des Lernens an Bedeutung gewinnt, hat mehrere Gründe. Bekanntlich stehen Wohnungsunternehmen heute vor zahlreichen Herausforderungen und vielen offenen Fragen: Klimaschutz, Digitalisierung, Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, um nur einige zu nennen. Das erfordert die Bereitschaft der Beschäftigten, lebenslang zu lernen und sich auf immer wieder neue Aufgaben einzustellen. Hinzu kommt die Veränderung der Arbeitswelt. „Demnächst gehen ganze Kohorten von Beschäftigten in Rente“, erläutert Grebe. „Und außerdem gibt es in den Belegschaften eine große Fluktuation.“
Die zentrale Herausforderung besteht für Grebe deshalb darin, das Wissen und die Erfahrungen der einzelnen Mitarbeiter in die Organisation zu bringen und so sicherzustellen, dass das Wissen nicht verloren geht, wenn ein Wissensträger das Unternehmen verlässt. „Ziel“, betont er, „muss es also sein, Wissenskompetenzen in der Organisation zu verankern.“ Um dies zu erreichen, müssen die Unternehmen laut Grebe die Silostruktur mit unterschiedlichen Abteilungen aufbrechen und dafür sorgen, dass die Abteilungen eng zusammenarbeiten. „Damit das Wissen zwischen den Bereichen fließen kann“, sagt der Leiter der EBZ Akademie, „braucht es Rahmenbedingungen, die das Lernen fördern, ein passendes technisches Equipment (zum Beispiel Wissensmanagement-Systeme) und nicht zuletzt eine Kultur, die das Lernen im Unternehmen und den Austausch von Wissen unterstützt.“
Situationen, in denen gutes Wissensmanagement gefragt ist

Erfahrungen von Vivawest und LEG
Konkret umgesetzt wird dieser Ansatz bei der Vivawest Wohnen GmbH. „Organisationales Lernen in Verbindung mit der Unternehmensstrategie hat für uns eine hohe Bedeutung“, sagt Gregor Boldt, Fachbereichsleiter Unternehmenskommunikation. Dabei setzt das in Gelsenkirchen ansässige Unternehmen auf eine ganze Reihe von Instrumenten und Maßnahmen. So vermitteln im Intranet verankerte Formate namens VivaWissen und Lernwelten sowohl prozessuales Wissen als auch Wissen zu Soft Skills. „Die Lernwelten bündeln Wissen, das zum Teil intern an unterschiedlichen Orten abgelegt ist, stellen aber auch relevante externe Inhalte strukturiert zur Verfügung“, erklärt Boldt. „Unseren Mitarbeitern wird so ermöglicht, jederzeit gezielt auf das Wissen zuzugreifen und zu verschiedenen Themen auch eigene Erfahrungen zu teilen.“
Wichtig sind bei Vivawest darüber hinaus hierarchie- und bereichsübergreifende Netzwerke, die regelmäßig Veranstaltungen und Workshops durchführen. Bei Best-Practice-Terminen beispielsweise teilen Experten ihr Wissen und ihre Erfahrungen oder geben Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Ein etabliertes Format ist ferner die Beteiligungsbörse. „Hier“, sagt Boldt, „haben die Bereiche die Möglichkeit, Projekte und Sonderthemen auszuschreiben und so die Mitarbeit von Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen Fachbereichen einzubinden.“
Mit ähnlichen Formaten arbeitet die LEG Immobilien SE in Düsseldorf, die 2024 für ihr Konzept „#360° – Lernen, Entwickeln, Gestalten“ mit einem Sonderpreis im Rahmen des DW-Zukunftspreises der Immobilienwirtschaft ausgezeichnet worden ist (siehe DW 8/2024, Seite 48-50). So gibt es beispielsweise die LEG-Akademie mit umfangreichen Schulungsangeboten, das LEG-Wiki mit Informationen über Arbeitsabläufe und Projektinformationen sowie das Format Lunch & Learn, bei dem ein Fachbereich in der Mittagspause Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen einen Einblick in sein Arbeitsgebiet gibt. „Wir sind alle nicht perfekt, zusammen aber besser als einzeln“, bringt die LEG-Projektverantwortliche Lena Wübbeling diesen Ansatz auf den Punkt. Deshalb liegt der Fokus nach ihren Worten auf einer offenen Lernkultur und auf Schulungen, die durch eigene Experten erfolgen.
Rheinwohnungsbau mit eigener Wissensplattform
Auch die Rheinwohnungsbau GmbH wendet abteilungs- oder projektbezogene Workshop-Formate an, wie Valbona Möhren sagt. Sie arbeitet als Handlungsbevollmächtigte Unternehmensentwicklung & Kommunikation bei dem Düsseldorfer Wohnungsunternehmen. Ein wichtiges Format ist außerdem die „Mitarbeitermesse“, die seit 2022 einmal jährlich stattfindet und an der alle knapp 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (inklusive Führungskreis) teilnehmen. „Dabei geht es darum, Informationen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen sowie Fragen und Gedanken zu diskutieren“, sagt Möhren. Bei der letzten Mitarbeitermesse im November 2024 wurden beispielsweise die Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, das Quartiersmanagement und das Potenzial von Mieterstrom thematisiert.
Für das Wissensmanagement hat die Rheinwohnungsbau eine eigene Plattform aufgebaut. Diese „RWB-Akademie“ ist in das Intranet integriert und wird von der Personalabteilung koordiniert. „In unterschiedlichen Kategorien finden die Mitarbeitenden darin Informationen zu unternehmensspezifischen Themen, wobei interaktives und multimediales Lernen eingeschlossen ist“, sagt Möhren. Die RWB-Akademie umfasst somit nicht nur Texte, sondern auch Videos, Podcasts und Vodcasts (also Kombinationen aus Video und Podcast). Ziel, so Möhren, sei es bei all diesen Instrumenten, „die Organisation als Ganzes weiterzuentwickeln und dabei das gesamte Team im Blick zu haben“.
Nicht nur auf Datenbanken setze
Für Grebe von der EBZ Akademie ist es wichtig, beim organisationalen Lernen nicht ausschließlich auf digitale Plattformen zu setzen. In den 1990er-Jahren habe Wissensmanagement in erster Linie bedeutet, das komplette Wissen in Datenbanken zu übertragen, blickt er zurück. Mittlerweile habe man erkannt, dass das zu technologisch gedacht war. Denn die Gefahr sei groß, dass das System zu wenig gepflegt werde und deshalb einschlafe.
Heute“, sagt Grebe, „versucht man, die Mitarbeitenden in den Austausch zu bringen.“ Das könne (wie bei der LEG) über eine Veranstaltung wie Lunch & Learn geschehen, aber auch über Formate mit Barcamp Charakter, also Workshops, deren Inhalte von den Teilnehmern selbst entwickelt werden. Auch Formate, die unter dem Begriff Community of Practice laufen, kommen laut Grebe in Frage: „Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen arbeiten in einem strukturierten Rahmen zusammen, um zum Beispiel die Einführung einer neuen Software oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz vorzubereiten.“
Ebenfalls für sinnvoll hält Grebe den Einsatz von Videos, wie er etwa bei der Rheinwohnungsbau erfolgt. Gerade für Techniker sei es einfacher, ihr Wissen in Form eines Videos weiterzugeben, als es in ein Unternehmens-Wiki zu schreiben, sagt Grebe. „Wenn also der Mieterstromexperte demnächst in Rente geht, kann man ihn interviewen und das Interview auf Video aufnehmen“, nennt er ein Beispiel. „KI ermöglicht es zudem, daraus ohne großen Aufwand Texte, einen Podcast oder eine Powerpoint-Präsentation zu machen.“
Integration in andere Schulungsangebote
Wer sich näher mit dem organisationalen Lernen beschäftigen will, findet dazu im Internet eine Reihe von (nicht-branchenspezifischen) Kursen. Mindestens so sinnvoll dürfte jedoch die Integration in bestehende Angebote sein. Die EBZ Akademie hat laut ihrem Leiter Grebe bisher zweimal versucht, einen Kurs „New Learning“ (was im Prinzip ebenfalls organisationales Lernen meint) aufzusetzen – und ist damit auf eher überschaubare Resonanz gestoßen. Deshalb behandelt sie das Thema jetzt in bestehenden Schulungsangeboten.
Eine Herausforderung bleibt dabei bestehen, wie Vivawest-Pressesprecher Gregor Boldt sagt, nämlich die zeitliche Integration des Lernens in den Arbeitsalltag. Erleichtert wird dies nach seinen Worten durch flexible Formate wie E-Learning. Auch die Rheinwohnungsbau achtet laut Valbona Möhren darauf, die Mitarbeitenden nicht zu überfordern. „Diese“, gibt Möhren zu bedenken, „müssen ja immer auch das Alltagsgeschäft bewältigen.“ Dabei betont sie noch einmal die Bedeutung des organisationalen Lernens: Die dynamische Entwicklung und das volatile Umfeld führten dazu, dass immer mehr neue Aufgaben auf die Unternehmen zukämen. „Als Gesamtunternehmen“, so Möhren, „brauchen wir deshalb eine hohe Lern- und Anpassungsfähigkeit.“
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